Margerita Domenica Marzona I Verzegnis
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https://en.wikipedia.org/wiki/Verzegnis |
Verzegnis.
Ein kleines norditalienisches Dörfchen in der Nähe der österreichischen
Grenze, rund 150 Kilometer von Venedig - typisch italienisch,
verwinkelte, enge Sträßchen.
Einige Tagen fieberte ich - daher meine Grippe? - diesem Ort
entgegen. Nun
bin ich das zweite Mal hier, bereits 2018 habe ich diesen Ort
besucht. Ich fühle mich mit ihm sehr verbunden, denn Verzegnis ist
der Geburtsort von Margerita Domenica Marzona, der Mutter meiner
Mutter.
Das weiße Haus - Casa Marzona - ist das Geburtshaus meiner Oma |
Als
ich dort gestern ankam, rief ich als Erstes meine 94-jährige Mutter
an, die angesichts meines Besuches des Heimatortes ihrer Mutter sehr
berührt war: „Jetzt wäre ich gerne bei Dir“, sagte sie und
erzählte mir dann ganz viele Geschichten von ihrer Mutter, die ich
bislang nicht kannte:
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Familie Marzona 1906 |
Meine Oma (*11.9.1895) entstammt einer begüterten Familie: Ihr Vater Amadeo war als Ingenieur europaweit bei der Planung und Entstehung von Kanälen und Schleusen beteiligt, so auch beim Bau des Schiffshebewerks Henrichenburg, das die meisten LeserInnen aus dem Ruhrgebiet kennen werden. Kurz nach der Jahrhundertwende brach die Familie ihre Zelte in Italien ab und zog mitten ins Ruhrgebiet, nach Herne.
Man
hatte Geld, ein gutes Auskommen, und pflegte weiterhin engen Kontakt
zur Heimat. Einmal, weil Amadeo auf seinen Baustellen immer wieder
Männer aus seinem Dorf beschäftigte. Und dann reiste seine Frau
auch regelmäßig in ihre Heimat. Aus besonderem Grund: Ihre älteste
Tochter – meine Oma – hatte ein schweres Knieleiden. Kein Arzt in
Deutschland konnte helfen.
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Margerita als Teenagerin (12 Jahre, 1907) |
In
der Nachbarschaft des alten Marzona-Wohnhauses lebte eine Frau, der
wundersame Kräfte nachgesagt wurden. Noch immer erinnert man sich im
Dorf ihrer, ihr Bildnis hängt an der Wand des Hauses, wo sie früher
lebte:
Mehrmals reiste Mutter Rosalie mit Margerita zu dieser Heilerin, aber es half nichts: 1912, da war das Mädchen gerade 17 Jahre jung, musste ihr das rechte Bein oberhalb des Knies amputiert werden.
Später, in den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts, verguckte sich
Margerita Domenica in den jungen Berglehrling Theodor Dieninghoff, den sie am 18. August 1925 in Münster heiratete.
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Kirchliche Trauung am 18.8.1925 |
Anderthalb
Jahre später, 1927, gab es eine richtige Weihnachts-Bescherung: Die
erste Tochter kam am 26. Dezember zur Welt, am 5. Februar 1929 wurde
meine Mutter geboren. Nach den beiden Töchtern entband meine Oma
noch sechs Söhne – incl. einem Drillingspaar.
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Oma mit 5 von 8 Kindern. Oben steht meine Mutter |
64
Jahre, so jung wie ich jetzt bin, war meine Oma, als sie am
13. März 1959 in meinem Geburtsort Münster verstarb. Sie starb – und das
begründet vielleicht meine tiefe Bindung zu ihr – an
meinem errechneten Geburtstermin. Um meiner Mutter (und auch mir) die
emotionale Kollision – Tod der Mutter, Geburt des Sohnes – zu
ersparen, habe ich mich zwei Monate vor dem Termin entbunden.
Acht Stunden war ich gestern Verzegnis unterwegs. Durch alle Gassen des Ortes bin ich gegangen und sicherlich immer wieder mal in den Fußstapfen meiner Oma
getreten. Wie vor fünf Jahren hatte ich auch gestern das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein.
Der Steinkreis vor dem Geburtshaus meiner Oma liegt wohl nicht zufällig dort. In den alten Kulturen ist er das Symbol der Unendlichkeit. Es ist das Werk
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"River Stone Ring" des des britischen Land-Art-Künstlers Sir Richard Julian Long |
Neben dem Geburtshaus meiner Oma gibt es in Verzegnis noch eine zweite Attraktion. Direkt vor dem Haus hat der Cousin meiner Mutter, Egidius Marzona, als Besitzer der "größten und bedeutendsten Kunstsammlung zur
Avantgarde des 20. Jahrhunderts weltweit" (Wikipedia), einen Naturpark errichtet.
Laut Carniamusei ist dieses Museum "aufgrund der Qualität der künstlerischen Werke sowie der harmonischen Verschmelzung der bebauten Umgebung mit der umgebenden Natur einzigartig in Italien".
Carl Andre "Untitled" |
Die vergangene Nacht verbrachte ich bei geöffneten Hecktüren an einem idyllischen See irgendwo in den Bergen.
Geweckt wurde ich heute Morgen von einer Herde blökender Schafe...
P.S. Ein herzliches Dankeschön 🙏 gilt meiner Schwester Margarethe ("Etha") und meinem Bruder Thomas. Etha sandte mir die oben eingestellten Familienfotos, von Thomas erhielt ich die umfangreiche Familienchronik, die er zum 80. Geburtstag unserer Mutter erstellte. Viele Informationen und Worte sind seinem Skript entliehen.
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